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Der skandal um „Relax”

Nach zehn Jahren wieder ganz oben in den Charts! Der Frankie Goes To Hollywood-Heuler „Relax”, der jetzt in einer neu gemixten Version wiederveröffentlicht wurde, brachte 1983 mit seinem überlaut ausgesteuerten, in laszivem Beischlaf-Takl dröhnenden Beat die Dancefloor-Welle ins Rollen. Als „Relax” damals rauskam, löste der Text einen Riesenskandal aus. Er handelt das Thema Sex nicht gerade in dezenten Andeutungen ab, sondern nennt orale Sexualpraktiken unverblümt beim Namen und beschreibt mit offenen Worten den Weg zum höchsten Lustgewinn: „Entspanne dich, tus nicht, warte, wenn du kommen willst.” Für die damalige Zeit echt schockierend. Prompt erhielt „Relax” in England Sendeverbot. Zu spät — die Tanzschuppen wackelten innerhalb van Tagen auf der ganzen Welt im „Relax”-Groove. Die Single wurde mehrere millionenmal verkauft. Frankie Goes To Hollywood, fünf bis dahin völlig unbekannte Jungs aus Liverpool, wurden über Nacht zu Superstars. Der Kopf des Unternehmens war Sänger Holly Johnson (33), ein feinnerviger Künstlertyp mit leiser Stimme, vollendeten Manieren und ausschweifender Phantasie, der aus seinen homosexuellen Neigungen nicht nur keinerlei Hehl, sondern ein schrilles Image machte. Der FGTH-Sänger Nr. 2 Paul Rutherford ist ebenfalls schwul. Er mimte den Hardcore-Typen mit Peitsche und lederdreß. Brian Nash (Gitarre), Mark OToole (Baß) und Peter Gill (Schlagzeug), echte Rabauken aus den Straßen Liverpools, heuerte Holly nicht nur wegen ihrer musikalischen Fähigkeiten an, sondern vor allem wegen ihres skandalträchtigen Auftretens. Auf Tour doubelten richtige Musiker, versteckt hinter den phantastischen Aufbauten der FGTH-Bühne die drei Heiden. Van Paul, „Nush”, „Ped” und Mark hat man seit der Trennung der Band 1987 außer gelegentlichen Ankündigungen neuer Bands und Karrieren nichts mehr gehört. Holly landete 1989 zwei Solohits, „Love Train” und „Americanos”. Tragisch: 1991 erfuhr der Sänger, daß er Aids hat. Die Ärzte gaben ihm damals nicht mehr als ein halbes Jahr Lebenserwartung, weil die tödliche Krankheit bereits mit dramatischen Symptomen ausgebrochen war. Doch Holly Johnson fing sich gesundheitlich wieder. Zur Zeit geht es ihm einigermaßen gut. Er lebt mit seinem deutschen Freund Wolfgang zurückgezogen in London und wird demnächst seine Autobiographie „A Bone in my Flute” veröffentlichen.