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Frankie goes wilde

Frankie goes to Germany! Erstmals stand die Liverpooler Supertruppe diesen Monat live auf deutschen Bühnen. Im Rahmen ihrer Europa-tournee stattete sie Hamburg, Berlin, Düseeldorf, Frankfurt und Müunchen einen Besuch ab. Was akustisch wie optisch geboten wurde, dürfte diezeit von der Konkurrenz kaum zu überbeiten sein. Die Shows waren spektakuläre Attacken auf Augen und Ohren, voller Farben und Bilder, an einem Stück mitreißend. Ohne Pause reihten Holly & Co die Songs ihres „Pleasuredome”-Albums aneinander, gönnten sich und dem Publikum keine Verschnaufpause.

Futuristisch wirkte die in Weiß getauchte Bühnenkulisse, fast schon reif fürs Theater, bestehend aus mehreren, verschieden hohen Quadern und runden Emporen für Drummer Peter Gill und Gastkeyboarder Pete Oxendale. Die Wände der am äußersten linken und rechten Bühnenrand aufgestellten Gebilde dienten als Projektionsplattform. Unentwegt erschienen hierauf Szenen aus Videoclips („Two Tribes”, „Welcome to the Pleasuredome” etc.), fotos und Illustrationen. Lieblichen Crew: Phallus-Symbole in allen Größen, Formen und Farben. Weitere visuelle Effekte lieferte die bombastische Lightshow: Über der Bühnenmitte schwebte ein hydraulisch auf und nieder bewegbarer, krakenförmiger Lichtkörper, umgeben von den an der Decke schräg angebrachten, sechseckigen Spot-Batterien. Die Pastellfarbenen Scheinwerfer sorgten für ein dramatisches Lichterspiel. Dazwischen die Band, im schwarzen Edel-Military-Look gekleidet — außer Boß Holly Johnson, der sich zuerst in einer weiß-goldenen Phantasie-Uniform und im zweiten Teil der Show in einem weißen Fliegeroverall plus Baseballkappe präsentierte.

Der britische Modedesigner Anthony Price, zu dessen sonst eher vornehmen Kundenkreis auch Bryan Ferry zählt, schuf diesen ausgefallene, unübersehbar von früheren SS-Uniformen inspirierte Bühnengarderobe. Zweifellos boten Frankie goes to Hollywood viel fürs Auge wie auch fürs Ohr. Der Sound klang nicht weniger aufwendig ausgetüfteit als auf Platte, doch es fiel auf, daß die Frankie-Stammgitarristen Mark OToole und Brian Nash live gewisse Schwierigkeiten hatten. Wären da nicht die brillanten Gastmusiker Peter Oxendale an den Keyboards und Marks Bruder Gerard OToole an der dritten Gitarre gewesen, hätten diese erste Frankie Deutschlandtour sicher durch so manchen Mißton gelitten. Nicht umsonst überließ man den beiden Gastmusikern die musikalische Regie, ließ man sie die Akzente im Live-Sound setzen.

Dock abgesehen davon: das Publikum übersah — und hörte diesen kleinen Kunstfehler und reagierte auf das Live-Debüt der Briten euphorisch bis ekstatisch. Besonders wenn Hollys Mitstreiter am Gesangsmikro, Paul Rutherford, mit aufreizenden Hüftschwüngen und Hinternwackeln alle Rigester seiner chauvinistischen Macho-Körpersprache zog. Holly wirke dagegen eher statisch, immer etwas distanzeirt, begeisterte jedoch durch theatralische Posen. Ein Sänger mit eigenwilligem Charisma. An Bewegung fehlte es dennoch nie auf der Bühne. Ständig wirbelte einer der Musiker herum, sorgten die Spots für ein farbenfrohes Verwirrspiel und wurden die Songinhalte mit Fotos und Filmen visuell umgesetzt. Das Auge des Zuschauers ruhte nie auf einem Punkt, sondern wurde gefesselt vondieser sich minütlich wandelnden Szenerie. Hinzu kamen Blitz-, Donner- und Nebeleffekte, die besonders wirkungsvoll bei den Titeln „War”, „Two Tribes” und „Relax” eingesetzt wurden. Nach 90minütiger Supershow war klar: Die Reise zum „Pleasuredome” hatte sich gelohnt, Frankie sind nicht — wie befürchtet Studio- Strohmänner, sondern Showspezialisten eigener Coleur.